Das Mädchen von der Bahnhofstrasse

Seit 58 Jahren sind wir nun verheiratet, meine Magdalena und ich. 

Wie war das vor über 60 Jahren an der Bahnhofstrasse? Ich sah "Mädi" zum ersten Mal an einem strahlenden Sommermorgen, als sie mir vom Bahnhof her entgegen kam. Da wo heute der Aldi steht, begegnete ich (17) einer Engelsgestalt. Sie war sonnengebräunt mit einem himmlischen Lächeln. Ich wusste instinktiv: Davon hatte ich schon immer geträumt. Doch wie sollte ich mit ihr ins Gespräch kommen? Sie war offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit wie ich, nur in entgegengesetzter Richtung. Ich musste auf den Bahnhof und sie kam gerade von dort. Wenn wir uns kreuzten hiess das für mich: Ich verpasste den Zug wie schon so oft und musste dann mit dem Velo, quasi dem Zug hinterher, zur Arbeit fahren. 

  

Es gab aber auch Tage, an welchen ich rechtzeitig am Bahnhof war. Dann sah ich sie aussteigen während ich einstieg. Es musste also auch möglich sein, die Begegnung umzukehren: Z.B. am Feierabend. Und richtig, sie stieg abends in den Zug ein, den ich gerade verliess. So

Der Bahnhof von Gerlafingen um 1962

blieb ich eines Abends im Zug sitzen und fand sie dann allein in einem Abteil vor. Sie erteilte mir zwar eine ordentliche Abfuhr, aber immerhin erfuhr ich ihren Arbeitsort, was mir später nützlich sein sollte. 

 

Das Schicksal schlug hart zu: Ich verlor meine Stelle und fand Arbeit im Welschland. Somit war der Traum, sie wieder zu sehen, für lange Zeit ausgeträumt. Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn. Und man kann auch Glück haben, insbesondere in der Liebe. An einem Wochenende erblickte ich in der Menschenmenge - wieder auf einem Bahnhof - zwei braune Augen, die ich schon ein Leben lang zu kennen glaubte. Beide drehten sich kurz um, zögerten kurz, trauten sich jedoch nicht, stehen zu bleiben. Mein Puls stieg auf 200. Dies war der Moment, als ich mir sagte: "Es muss jetzt etwas geschehen"! 

 

"Mädi" arbeitete als Damencoifeuse an meinem Wohnort. Da gab es aber auch eine Herrenabteilung. Ich liess mir kurz vor Feierabend die Haare schneiden und wartete danach draussen vor dem Geschäft. Everardo, der Herrencoiffeur und Mädi's Kollege, hatte sie natürlich schon vorgewarnt. Doch diesmal gab es kein Entkommen. Ich hatte zwar an diesem Abend einen Gig als Pianist an einer Geburtstagsfeier, aber ich nahm Madeleine einfach mit an diese Feier und ich bin fast sicher, dass ich mich in ihr Herz hinein spielen konnte. Wir verbrachten die Nacht bis in die Morgenstunden zusammen und zum ersten Zug brachte ich sie auf den Bahnhof. Schon am nächsten Mittag trafen wir uns wieder und ab diesem Sonntag blieben wir ein Paar. Dass wir es heute nach über 60 Jahren noch sind, ist das Verdienst meiner starken Magdalena, die auch in schwierigen Zeiten immer an unsere Liebe glaubte. 

  

Nun sind wir ein altes Ehepaar, unsere Kinder sind erwachsen und selbst glücklich verheiratet. Bald feiern wir die diamantene Hochzeit (60 Jahre), sofern uns die Gesundheit nicht im Stich lässt. Noch mehr Lebensqualität und Glück wäre "kitschig". Wir wünschten, allen Menschen würde es so gut gehen wie uns.  

  

                                                                                   Madeleine und Hansruedi

Der Song

Ich habe diese Liebesgeschichte in einem Mundart-Song bearbeitet.  Er heisst:  "Dr Ängu vo dr Bahnhofschtross" und ist auf meinem Youtube Kanal, auf TikTok sowie auf dieser Homepage aufgeschaltet. Viel Spass!

Dr Ängu vo dr Bahnhofschtross

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